Ein Grundstückswert ist auch dann gesondert festzustellen, wenn er für die Berechnung des Jahreswerts von Nutzungen benötigt wird. Es ist der Grundstückswert für das gesamte Grundstück festzustellen, auch wenn sich das Nutzungsrecht nur auf einen Teil des Grundstücks bezieht.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall ist der Wert eines Nießbrauchrechts zu berechnen. Dies erfolgt über die Verweisung in § 12 Abs. 1 ErbStG zunächst nach den §§ 14, 15 BewG. Nach § 16 BewG kann jedoch der Jahreswert höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut -hier das Grundstück- nach den Vorschriften des BewG anzusetzende Wert durch 18, 6 geteilt wird. Die Finanzverwaltung geht zu Recht davon aus, dass dieser Wert gesondert festzustellen war. Die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Umsetzung des Jahressteuergesetzes 2007 vom 02.04.2007[1] haben in Tz. 73 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 die gesonderte Feststellung auch in solchen Fällen vorgesehen. Diese Erlasslage war zum Stichtag des Streitfalles[2] anwendbar. Mit R B 151.2 Abs. 7 Satz 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) 2011[3] ist diese Auffassung zudem übernommen worden.
Soweit der Grundstückswert einem früheren Bewertungsbescheid zu entnehmen ist, kann die Auswertung dieses Bescheids als Grundlagenbescheid allerdings nicht in der Weise geschehen, dass lediglich von dem dort mitgeteilten Wert des Miteigentumsanteil der Nießbraucherin (hier: 1/4) auszugehen wäre. Für die Anwendung des § 16 BewG ist vielmehr von dem dort festgestellten Wert des gesamten Grundstücks auszugehen und davon der Wert von des anderen; vom Nießbrauch betroffenen Miteigentumsanteils (hier: 3/4) zu berechnen.
Materiell-rechtlich ist dies allein richtig. Gegenstand des Nießbrauchrechts ist naturgemäß nicht der Miteigentumsanteil von 1/4, der der Nießbraucherin bereits vor dem Erbfall gehörte und hinsichtlich dessen mit dem Erbfall keinerlei Rechtsübergang stattgefunden hat. Gegenstand des Nießbrauchrechts ist vielmehr der Miteigentumsanteil des Erblassers von 3/4.
Der Wert des 1/4-Miteigentumsanteils ist für die Berechnung nach § 16 BewG auch nicht deshalb maßgebend, weil diese Aussage von der Bindungswirkung des Feststellungsbescheids umfasst wäre. Zum einen ist dem Bescheid selbst eine derartige Aussage schon nicht zu entnehmen. Zum anderen regelten zwar noch nicht die gleich lautenden Erlasse in BStBl I 2007, 314, wohl aber die ErbStR 2011 in R B 151.2 Abs. 7 Satz 3 ausdrücklich, dass der Grundbesitzwert auch dann für das gesamte Grundstück festzustellen ist, wenn sich das Nutzungsrecht nur auf einen Teil des Grundstücks bezieht. Darin kommt die zutreffende Rechtsauffassung zum Ausdruck, dass sich die Bindungswirkung des Feststellungsbescheids im Rahmen von § 16 BewG nicht auf die Frage erstreckt, an welchem Anteil des zu bewertenden Gegenstandes ein Nutzungsrecht begründet wurde. Dies wiederum entspricht dem Grundsatz, dass über den Gegenstand des Erwerbs nicht das Belegenheitsfinanzamt als Feststellungsfinanzamt, sondern das Erbschaftsteuerfinanzamt entscheidet.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 2. Dezember 2020 – II B 38/20