§ 8b Abs. 4 KStG[1] und § 9 Nr. 2a GewStG[2] sind nach Ansicht des Bundesfinanzhofs mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Gemäß § 8b Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 KStG sind Bezüge i.S. des Abs. 1 der Vorschrift abweichend von Abs. 1 Satz 1 bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Nach § 34 Abs. 7a Satz 2 KStG in der vorgenannten Fassung ist § 8b Abs. 4 KStG erstmals für Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 KStG anzuwenden, die nach dem 28.02.2013 zufließen.
Gemäß § 7 GewStG ist der Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Gemäß § 9 Nr. 2a GewStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG 2008) vom 14.08.2007[3] ist eine Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft vorzunehmen, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 15 % des Grund- oder Stammkapitals beträgt. Bei der vorliegenden Beteiligung der Klägerin an der AG in Höhe von weniger als 10 % ist mithin eine Kürzung ausgeschlossen. Der Bundesfinanzhof sieht dazu von weiteren Ausführungen ab.
Das Finanzgericht Hamburg ist im hier entschiedenen Rechtsstreit in der Vorinstanz davon ausgegangen, dass § 8b Abs. 4 KStG nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt[4]. Der Bundesfinanzhof teilt diese Ansicht; er kann dabei offen lassen, ob sich § 8b KStG als finanz- und wirtschaftspolitische Lenkungsnorm[5] oder aber als Fiskalzwecknorm darstellt, denn jedenfalls sind die an Letztere zu stellenden strengeren verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum[6]. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern[7]. Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der einfache Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip[8]. Die Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit das objektive Nettoprinzip gelten gleichermaßen im Bereich der Körperschaftsteuer[9]. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes[10]. Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen erkennt das BVerfG in ständiger Rechtsprechung neben außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszwecken auch Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an[11]. Außerdem steht dem Gesetzgeber die Möglichkeit offen, neue Regelungen im Rahmen eines Prinzipien- oder Systemwechsels einzuführen[8]. Der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung ist zwar nicht als besonderer sachlicher Grund in diesem Sinne anzuerkennen[12], allerdings ist ein qualifizierter Fiskalzweck, bei dem neben die Einnahmeerzielung etwa das Ziel der Verstetigung der Staatseinnahmen durch Dämpfung der Steuerauswirkungen konjunktureller Schwankungen tritt, als besonderer sachlicher Rechtfertigungsgrund anzuerkennen[13].
Nach der Überzeugung des Bundesfinanzhofs genügt § 8b Abs. 4 KStG den vorgenannten Maßstäben.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hatte durch sein Urteil „Kommission/Deutschland“ vom 20.10.2011[14] entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 Abs. 1 EG[15], jetzt Art. 63 AEUV[16] verstoßen hat, indem sie für den Fall, dass die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Mutter-Tochter-Richtlinie 90/435/EWG[17] vorgesehene Mindestbeteiligung der Muttergesellschaft am Kapital der Tochtergesellschaft nicht erreicht ist, Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterwarf als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Deutschland ausgeschüttet wurden. Zugleich hatte der EuGH auf einen Verstoß gegen Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum[18] erkannt, soweit Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Island oder in Norwegen ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer höheren Besteuerung unterworfen werden als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Deutschland ausgeschüttet werden.
Der deutsche Gesetzgeber hat auf dieses Urteil wie folgt reagiert:
Während der ursprüngliche Gesetzesentwurf der Bundesregierung[19] lediglich eine Änderung des § 32 KStG durch Anfügung eines Abs. 5 vorsah, wonach die vom angesprochenen EuGH, Urteil betroffenen gebietsfremden EU-/EWR-Körperschaften bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen vollständig von der Kapitalertragsteuer entlastet werden sollten, nahm der Bundesrat[20] dazu in der Weise Stellung, dass die vom EuGH gerügte Ungleichbehandlung zwar dadurch beseitigt werden könne, dass nunmehr auch Auslandsdividenden von der Körperschaftsteuer freigestellt würden. EU-rechtlich zulässig sei aber ebenso die -vom Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme zum Jahressteuergesetz 2013 -JStG 2013-[21] angeregte- steueraufkommensschonende Aufhebung der Steuerbefreiung für Streubesitzdividenden (Beteiligungen von weniger als 10 %), die von inländischen Körperschaften und ausländischen Körperschaften mit einer inländischen Betriebsstätte bezogen würden, sowie für entsprechende Veräußerungsgewinne.
In seiner Stellungnahme zum JStG 2013 hat der Bundesrat hierzu erläutert, dass angesichts der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung für die öffentlichen Haushalte nur die 2. Alternative sinnvoll sei. Dadurch entstünden keine Nachteile für die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ausländischen Investoren. Denn durch die Gewährung der Steuerfreiheit auch für ausländische Gesellschaften würden nicht die Unternehmen bzw. die ausländischen Investoren begünstigt, sondern in erster Linie die ausländischen Fisci, die zukünftig die in Deutschland einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht mehr als Quellensteuer anrechnen müssten. Weiterhin hat der Bundesrat ausgeführt, dass mit der Einführung einer Steuerpflicht für die Streubesitzdividenden und Veräußerungsgewinne sich Deutschland im Übrigen den internationalen Gepflogenheiten annähere. Nahezu alle Staaten in Europa gewährten die Steuerfreiheit für Dividenden und Veräußerungsgewinne nur bei Überschreiten einer Mindestbeteiligungsquote. Viele Staaten würden zusätzlich Mindesthaltefristen für die Beteiligungen kennen. Mit der beabsichtigten Änderung führe Deutschland somit seine überaus großzügige Befreiungsregel auf das international übliche Maß zurück[21].
Auch der Finanzausschuss empfahl dem Bundesrat die Anrufung des Vermittlungsausschusses und führte aus[22], die beanstandeten Sachverhalte beträfen Beteiligungen im Streubesitz ausländischer Körperschaften. Bei Schachteldividenden an EU-Körperschaften werde bereits nach der Mutter-Tochter-Richtlinie in vollem Umfang vom Kapitalertragsteuerabzug Abstand genommen. Auch soweit ein Doppelbesteuerungsabkommen eine Quellensteuerfreistellung oder –ermäßigung für Schachteldividenden vorsehe, werde die Kapitalertragsteuer auf Antrag (voll oder teilweise) durch das Bundeszentralamt für Steuern erstattet. Mit der Aufhebung der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG für Streubesitzdividenden (Beteiligungen von weniger als 10 %), die von inländischen Körperschaften und ausländischen Körperschaften mit einer inländischen Betriebsstätte bezogen würden, werde die Dividendenbesteuerung für inländische und ausländische Kapitalgesellschaften angeglichen. Die Besteuerung erfolge für inländische Kapitalgesellschaften und für ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischer Betriebsstätte im Rahmen der Veranlagung und für ausländische Kapitalgesellschaften ohne inländische Betriebsstätte durch den abgeltenden Steuerabzug. Die unterschiedliche Behandlung der Erträge von Beteiligungen, an denen der Anteilseigner zu mindestens 10 % und denen, an denen er zu weniger als 10 % beteiligt sei, sei dadurch gerechtfertigt, dass bei einer Streubesitzbeteiligung die Beteiligung als Kapitalanlage angesehen werde und häufig auch keine dauerhafte Beteiligung an der Unternehmung angestrebt sei. Der Anteilseigner könne aufgrund der Höhe seiner Beteiligung keinen unternehmerischen Einfluss auf die Entscheidungen bei der Kapitalgesellschaft ausüben. Bei einer Beteiligung von mindestens 10 % könne hingegen regelmäßig ein betriebliches Engagement des Anteilseigners unterstellt werden.
Entsprechend den vorstehenden Erwägungen zum JStG 2013 lehnte der Bundesrat den Gesetzesentwurf der Bundesregierung in BT-Drs. 17/11314, S. 3 ab[23]. Bei den Beratungen des Vermittlungsausschusses[24] ist sodann eine „Kompromisslösung”[25] gefunden worden, nach der -so die jetzige Fassung des § 8b Abs. 4 KStG n.F.- Streubesitzdividenden aus der Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG ausgenommen werden, während Veräußerungsgewinne weiter steuerfrei bleiben. Die zunächst im Rahmen der Protokollerklärung zum Vermittlungsverfahren[26] erwogene Ausdehnung des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG auf Veräußerungsgewinne, die später dann in einen Entwurf des Bundesministeriums der Finanzen zu einem Investmentsteuerreformgesetz mündete[27], wurde nicht umgesetzt.
§ 8b Abs. 4 KStG durchbricht im Sinne einer nicht folgerichtigen Ausgestaltung die in § 8b Abs. 1 KStG zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Gesetzgebers, im System des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens erwirtschaftete Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen als Anteilseigner mit Einkommensteuer zu besteuern und deswegen zur Vermeidung von Kumulations- oder Kaskadeneffekten in Beteiligungsketten Bezüge innerhalb gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz zu lassen. Demgemäß wird seit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz) vom 23.10.2000[28] die Steuerbelastung der körperschaftlichen Gewinne durch die in § 8b Abs. 1 KStG gewährte Steuerfreistellung typisierend gemindert. Dadurch soll -dem Sinn und Zweck des Halbeinkünfteverfahrens entsprechend- sichergestellt werden, dass die Körperschaftsteuerbelastung auf die Ebene der operativen Körperschaften beschränkt wird und Ausschüttungen nur bei nicht korporierten Gesellschaften nach Maßgabe der Milderungen in § 3 Nr. 40 EStG -und damit entsprechend einer am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierten Gesamtbelastung- besteuert werden[29]. Die in § 8b Abs. 1 KStG verankerte Steuerfreistellung wird allerdings durch die Ausnahme des § 8b Abs. 4 KStG für sog. Streubesitzdividenden[30] eingeschränkt und damit das der Herstellung einer leistungsfähigkeitskonformen Gesamtbelastung dienende System der Steuerfreistellung von Dividenden durchbrochen[31].
Indessen ist diese Durchbrechung nach der Überzeugung des Bundesfinanzhofs verfassungsrechtlich gerechtfertigt[32].
Der Gesetzgeber hat durch die Einführung des § 8b Abs. 4 KStG erkennbar keinen Prinzipien- bzw. Systemwechsel vorgenommen, der als solcher eine Ausnahme vom Folgerichtigkeitsgebot rechtfertigen würde. Zwar kann ein solcher Prinzipien- und Systemwechsel auch schrittweise implementiert werden, wenn sich dies an einem umzusetzenden Grundkonzept orientiert[33]. Eine derartige Absicht hat der Gesetzgeber aber nicht zum Ausdruck gebracht[34]. Die Ankündigung des Gesetzgebers, im Rahmen der anstehenden Investmentsteuerreform die Ausweitung der Steuerpflicht auf Veräußerungsgewinne aus Streubesitz nochmals „ergebnisoffen aufgreifen” zu wollen[26], lässt schon ihrer Formulierung nach nicht auf das Vorhandensein eines planvollen Grundkonzepts schließen, zumal die Ankündigung später nicht weiterverfolgt wurde[35].
Auch die Erwägung des Gesetzgebers, die Belastungsentscheidung sei zur Haushaltskonsolidierung erforderlich, führt nach der Rechtsprechung des BVerfG für sich genommen nicht zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des § 8b Abs. 4 KStG[36].
Indessen ist die Herstellung einer europarechtskonformen Rechtslage zur Abgrenzung der Besteuerungshoheiten der betroffenen Fisci als hinreichender Rechtfertigungsgrund im Sinne eines qualifizierten Fiskalzwecks anzusehen, auch wenn im Gesetzgebungsverfahren die Frage der Haushaltskonsolidierung im Vordergrund gestanden haben mag[37]. Der Gesetzgeber hat sich insoweit auf die Stellungnahme des Bundesrates zum JStG 2013 gestützt, die Steuerbefreiung für Streubesitzdividenden auf das EU-rechtliche Minimum zu begrenzen. Eine vollständige Steuerfreistellung auch für Gesellschaften mit Sitz in anderen EU-/EWR-Staaten wäre über die Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie hinausgegangen. Die Mutter-Tochter-Richtlinie verlangt lediglich bei einer Mindestbeteiligung von 10 % eine Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle für von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschüttete Gewinne, auch wenn damit lediglich Mindestanforderungen formuliert sind, die die Möglichkeit offen lassen, auch bei einer niedrigeren Beteiligungsquote vom Steuerabzug an der Quelle abzusehen[38]. Das Finanzgericht hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, dass eine innerstaatliche Regelung mit einer vollständigen Befreiung vom Steuerabzug unabhängig von der Beteiligungsquote bei ausländischen Beteiligten häufig nicht deren Steuerlast mindern, sondern lediglich dem Ansässigkeitsstaat dieser Beteiligten die Anrechnung der in Deutschland einbehaltenen Kapitalertragsteuer auf die dortige Steuer ersparen und damit auch die Möglichkeit eines Quellensteuerabzugs entsprechend Art. 10 Abs. 2 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-Musterabkommen -OECD-MustAbk-) und entsprechender Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) obsolet machen würde. Der Gesetzgeber hätte zwar mit einer vollständigen Steuerfreistellung auch für Anteilseignerkörperschaften mit Sitz in anderen EU-/EWR-Staaten die zuvor in § 8b Abs. 1, Abs. 2 KStG zum Ausdruck gekommene Grundentscheidung weiterführen und damit den Anforderungen des EuGH entsprechen können. Dies würde jedoch der Abgrenzung der Besteuerungsrechte sowohl nach Maßgabe der Mutter-Tochter-Richtlinie als auch der Art. 10 Abs. 2 OECD-MustAbk entsprechenden Regelungen in den jeweils einschlägigen DBA widerstreiten. Aus Sicht des Bundesfinanzhofs steht es dem Gesetzgeber in einer solchen Situation frei, den beschriebenen Zielkonflikt unter Einbeziehung von Streubesitzdividenden in die Steuerpflicht aufzulösen.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass eine systemkongruente Lösung auch die Einbeziehung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitzbeteiligungen in die Steuerpflicht erfordert hätte. Dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, auch Veräußerungsgewinne i.S. von § 8b Abs. 2 KStG einem vergleichbaren „Streubesitzvorbehalt“ zu unterwerfen, mag als inkonsequent angesehen werden, doch muss es auch insoweit genügen, wenn der Gesetzgeber nur nach Maßgabe der unionsrechtlichen Anforderungen in das Regelungsgefüge des § 8b KStG eingreift[39].
Die vorstehenden Erwägungen gelten entsprechend für § 9 Nr. 2a GewStG, der ebenfalls mit den Vorgaben der Verfassung vereinbar ist.
Der Bundesfinanzhof hat bereits durch Beschluss vom 30.05.2014[40] dahin erkannt, dass die durch das UntStRefG 2008 von zuvor 10 % auf 15 % angehobene Mindestbeteiligungsquote mit den Vorgaben des Verfassungsrechts vereinbar ist. Zwar haben offenbar auch dieser Gesetzesänderung vor allem fiskalische und haushalterische Erwägungen zugrunde gelegen[41], gleichwohl vermag der Bundesfinanzhof nicht zu erkennen, dass derartige Erwägungen den Gesetzgeber daran hindern könnten, wie geschehen zu verfahren.
Dem steht -wie der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss in BFH/NV 2014, 1402 durch Verweis auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht vom 31.01.2013[42] klargestellt hat- der Sinn und Zweck des § 9 Nr. 2a GewStG nicht entgegen. Zwar besteht dieser grundsätzlich darin, eine doppelte Besteuerung ausgeschütteter Gewinne mit Gewerbesteuer sowohl beim Anteilseigner als auch bei der Kapitalgesellschaft zu verhindern, er besteht hingegen nicht darin, die einmalige Erhebung von Gewerbesteuer auf Beteiligungseinkünfte zu vermeiden[43]. Zwar hätte es bei letzterer Zielsetzung möglicherweise nahe gelegen, die Kürzung um Gewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften ohne Rücksicht auf die Höhe der Beteiligung zuzulassen[44]. Der Gesetzgeber hat sich aber anders entschieden und sich insoweit im Rahmen des weiten Gestaltungsspielraums bewegt, der ihm bei der Normierung eines Steuerbegünstigungstatbestandes, wie ihn das Schachtelprivileg darstellt, zusteht. Die Bedenken gegen die Konsequenz und Folgerichtigkeit erreichen jedenfalls nicht die Höhe der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit[45].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. Dezember 2019 – I R 29/17
- i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung des EuGH, Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache – C-284/09 vom 21.03.2013, BGBl I 2013, 561, BStBl I 2013, 344[↩]
- i.d.F. des UntStRefG 2008 vom 14.08.2007, BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630[↩]
- BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630[↩]
- FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 06.04.2017 – 1 K 87/15, EFG 2017, 1117[↩]
- in diese Richtung BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, Rz 61[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21.06.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164; vom 09.12.2008 – 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210; vom 04.02.2009 – 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1; in BVerfGE 127, 224[↩]
- BVerfG, Beschlüsse in BVerfGE 116, 164; in BVerfGE 122, 210[↩]
- BVerfG, Beschluss in BVerfGE 122, 210[↩][↩]
- BVerfG, Beschluss in BVerfGE 127, 224[↩]
- BVerfG, Beschlüsse in BVerfGE 116, 164; in BVerfGE 123, 1[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse in BVerfGE 123, 1; in BVerfGE 122, 210[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse in BVerfGE 116, 164; in BVerfGE 122, 210; vom 29.03.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 14.10.2015 – I R 20/15, BFHE 252, 44, BStBl II 2017, 1240, m.w.N.[↩]
- EuGH, Urteil „Kommission/Deutschland“ vom 20.10.2011 – C-284/09, EU:C:2011:670, Slg. 2011, I-9879[↩]
- Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl.EG 2002, Nr. C 325, 1[↩]
- Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABl.EU 2008, Nr. C 115, 47[↩]
- Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl.EG 1990, Nr. L 225, 6, Nr. L 266, 20, 1997 Nr. L 16, 98, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30.11.2011, ABl.EU 2011, Nr. L 345, 8[↩]
- EWR-Abkommen vom 02.05.1992, ABl.EG 1994, Nr. L 1, 3[↩]
- BT-Drs. 17/11314, S. 3[↩]
- BR-Drs. 736/1/12, S. 2[↩]
- BR-Drs. 302/1/12, S. 76 f.[↩][↩]
- BR-Drs. 632/1/12, S. 32 f.[↩]
- BR-Drs. 736/12[↩]
- BT-Drs. 17/12465[↩]
- vgl. Herlinghaus, FR 2013, 529, 531; Linn, Internationales Steuerrecht 2013, 235, 236; Wiese/Lay, GmbH-Rundschau -GmbHR- 2013, 404, 406[↩]
- BTPlPr 17/225, 28160C[↩][↩]
- dazu Ritzer/Stangl, DStR 2015, 2203 ff.[↩]
- BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428[↩]
- vgl. Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8b Rz 4, m.w.N.[↩]
- Desens, DStR 2013, Beihefter zu Heft 4, S. 13; Wiese/Lay, GmbHR 2013, 404; Grefe, Deutsche Steuer-Zeitung -DStZ- 2013, 573, 581; Förster/Lang, Steuerberater-Jahrbuch 2013/2014, 103, 110; Kotten/Heinemann, DStR 2015, 1889, 1892; Blümich/Rengers, § 8b KStG Rz 116: „systemfremd“[↩]
- Kußmaul/Licht, Der Steuerberater -StB- 2016, 286, 287; Gosch, KStG, 3. Aufl., § 8b Rz 287b; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, a.a.O., § 8b Rz 5[↩]
- ebenso Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rz 245; Neblung, EFG 2017, 1123; Melkonyan/Kudert, Die Unternehmensbesteuerung -Ubg- 2015, 132, 135; a.A. Hey, Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht -KSzW- 2013, 353, 358; Anissimov/Stöber, DStZ 2013, 379, 381 f.; Watermeyer in Hermann/Heuer/Raupach, § 8b KStG Rz 7; Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 528b; offen gelassen bei Herlinghaus, FR 2013, 529, 533; Kußmaul/Licht, StB 2016, 286, 288; Weiss, Ubg 2017, 671, 677[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 122, 210[↩]
- Hey, KSzW 2013, 353, 357; Kußmaul/Licht, StB 2016, 286, 288; Karrenbrock/Engelhardt, Neue Wirtschaftsbriefe 2017, 3327[↩]
- Hey, KSzW 2013, 353, 357 f.; Kußmaul/Licht, StB 2016, 286, 288[↩]
- vgl. Herlinghaus, FR 2013, 529, 533; Hey, KSzW 2013, 353, 357; Kußmaul/Licht, StB 2016, 286, 288[↩]
- vgl. auch Gosch in Rödder/Schönfeld, Aktuelle Steuerpolitik und Gesetzgebung 2012, S. 40[↩]
- vgl. Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 8b KStG Rz 465[↩]
- Gosch, a.a.O., § 8b Rz 287b[↩]
- BFH, Beschluss vom 30.05.2014 – I R 12/13, BFH/NV 2014, 1402[↩]
- BT-Drs. 16/5491, S. 23 f.[↩]
- Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 31.01.2013 – 1 K 82/11, EFG 2013, 538[↩]
- BFH, Beschluss vom 24.01.2012 – I B 34/11, BFH/NV 2012, 1175[↩]
- so etwa Roser in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 2a Rz 11[↩]
- ebenso Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 168; Roser in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 9 Nr. 2a Rz 13a; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 9. Aufl., § 9 Nr. 2a Rz 4; kritisch Bergmann in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, § 9 Nr. 2a Rz 12 f.[↩]