Für die Beurteilung der Frage, ob eine unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 des Grunderwerbsteuergesetzes gilt, weil an ihr mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, ist nur auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft abzustellen. Eine zuvor bereits bestehende Beteiligung des neuen Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Personengesellschaft ist unerheblich.
Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Die Änderung des Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG kann in einem einzelnen Rechtsvorgang oder in Teilakten über einen Zeitraum von längstens fünf Jahren erfolgen[1]. Ein Übergang von Anteilen an der grundbesitzenden Personengesellschaft auf Gesellschafter, die länger als fünf Jahre zuvor unmittelbar oder mittelbar an ihr beteiligt sind (sogenannte Altgesellschafter), reicht hingegen nicht aus[2].
Die Vorschrift setzt unter anderem einen unmittelbaren Wechsel im Gesellschafterbestand der grundbesitzenden Gesellschaft voraus. Ist eine Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt, gilt Satz 4 (§ 1 Abs. 2a Satz 3 GrEStG). Eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft gilt in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG).
Für die Beurteilung der Frage, ob eine unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG gilt, ist nur auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft abzustellen. „Neue Gesellschafter“ sind danach solche Personen, die zuvor nicht an der Kapitalgesellschaft beteiligt waren. Eine zuvor schon bestehende Beteiligung eines neuen Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Personengesellschaft ist nicht ausschlaggebend. Selbst wenn der neu an der Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter vor seinem Anteilserwerb bereits Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft war, wird er für die Anwendung des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG nicht zum Altgesellschafter der Kapitalgesellschaft. Die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft sind nur in Bezug auf die Kapitalgesellschaft, an der sie beteiligt sind, Alt- oder Neugesellschafter, nicht jedoch in Bezug auf die grundbesitzende Personengesellschaft[3].
Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers[4]. Der Feststellung dieses Willens des Gesetzgebers dienen die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatikalische Auslegung), aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung). Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen[5].
Danach ist § 1 Abs. 2a Satz 4 Halbsatz 2 GrEStG dahingehend auszulegen, dass sich der Begriff „neue Gesellschafter“ nur auf die Gesellschafter bezieht, die an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind, welche an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar beteiligt ist. Zwar lässt sich aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2a Satz 4 Halbsatz 2 GrEStG, der nur von „neuen Gesellschaftern“ spricht, bei isolierter Betrachtung nicht entnehmen, ob mit dieser Formulierung neue Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft gemeint sind oder der Begriff nur auf die beteiligte Kapitalgesellschaft zu beziehen ist. Nach der Entstehungsgeschichte und der Systematik des § 1 Abs. 2a Satz 1 bis 4 GrEStG kann die Formulierung „neue Gesellschafter“ im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG sich aber nur auf die beteiligte Kapitalgesellschaft beziehen.
§ 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. bis 05.11.2015 enthielt keine Regelungen, wann ein -der grundbesitzenden Personengesellschaft zivilrechtlich fremder- mittelbarer Anteilsübergang an ihr angenommen werden konnte. Die Finanzverwaltung differenzierte bereits damals zwischen einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaft und einer beteiligten Kapitalgesellschaft und sah die beteiligte Personengesellschaft als transparent, die beteiligte Kapitalgesellschaft jedoch als intransparent an. Nach den Gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vom 25.02.2010[6] war danach zu unterscheiden, ob an der Personengesellschaft eine Personen- oder eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Anders als bei einer beteiligten Personengesellschaft wurde nach Auffassung der Finanzverwaltung bei Beteiligung einer Kapitalgesellschaft nicht durchgerechnet, sondern die Finanzverwaltung ging von einem mittelbaren Gesellschafterwechsel bei der grundbesitzenden Personengesellschaft aus, wenn sich der Gesellschafterbestand der Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar um mindestens 95 % der Anteile änderte. In einem solchen Fall war die Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG anzusehen[7].
Der Bundesfinanzhof hatte hingegen für Erwerbsvorgänge vor Inkrafttreten der Änderungen in § 1 Abs. 2a GrEStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 entschieden, dass eine angemessene Berücksichtigung mittelbarer Strukturen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur erreicht werden konnte, wenn auf allen Beteiligungsebenen durch Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen durchgeschaut und dortige Veränderungen der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse in die Betrachtung einbezogen wurden[8]. Der Auffassung der Finanzverwaltung folgte er ausdrücklich nicht[9], sondern hielt mit Urteil vom 17.06.2020[10] an seiner Rechtsauffassung fest. Mangels entgegenstehender gesetzlicher Regelung konnten nach Auffassung des Bundesfinanzhofs daher für Erwerbszeiträume vor Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 2015 auch Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die an einer grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar beteiligt waren, mittelbare Altgesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft sein[11].
Der Gesetzgeber hat als Reaktion auf die angeführte BFH-Rechtsprechung durch das Steueränderungsgesetz 2015 die Sätze 2 bis 5 in § 1 Abs. 2a GrEStG eingefügt. Die Regelungen sind auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 05.11.2015 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 13 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015). Dadurch sollte der mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999[12] beabsichtigte Rechtszustand wiederhergestellt werden, sowohl mittelbare Anteilsübertragungen der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen als auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise abzuschaffen[13].
Während der Gesetzgeber im Hinblick auf an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaften mit § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG an einer transparenten Betrachtungsweise festgehalten hat, hat er durch die Formulierung in § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 GrEStG entschieden, dass für an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaften andere Regelungen gelten.
Für die unmittelbare Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG eine Fiktion geschaffen und dabei auf eine horizontale Ebenenbetrachtung abgestellt. Sind mindestens 95 % der Anteile an der an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergegangen, gilt diese Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin. Es gilt ein horizontales „Alles- oder Nichts-Prinzip“. Ein vertikales Hindurchrechnen der Beteiligungen wie bei Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG) ist nicht vorgesehen.
Dieses durch den Gesetzgeber festgelegte „Ebenenkonzept“ bei beteiligten Kapitalgesellschaften gilt auch für die Frage, ob Anteile der Kapitalgesellschaft auf „neue Gesellschafter“ übergegangen sind. In Bezug auf die an der Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft ist damit auch der zuvor unmittelbar an der Personengesellschaft beteiligte Gesellschafter ein „neuer Gesellschafter“, wenn er nicht mehr als fünf (heute zehn) Jahre vor dem Übergang der Anteile an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Für die Fiktion des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG ist lediglich seine (neue) Beteiligung an der unmittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft ausschlaggebend.
Ob durch die nunmehr gesetzlich geregelte unterschiedliche Betrachtung von Personen- und Kapitalgesellschaften eine angemessene Berücksichtigung mittelbarer Strukturen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nach dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2a GrEStG noch erreicht wird, kann dahingestellt bleiben. Die eindeutige Systematik des § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 GrEStG lässt keine andere Auslegung zu. Eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers liegt nicht vor.
Nach diesen Grundsätzen hat sich in dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall mit Wirkung zum 31.12.2016 der Gesellschafterbestand der klagenden Kommanditgesellschaft unmittelbar vollständig im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG geändert. Dies geschah zum einen durch die Übertragung von 10 % der Anteile an der Kommanditgesellschaft von R auf die M-Verwaltungs-GmbH. Zum anderen galt nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG die unmittelbar an der Kommanditgesellschaft zu 90 % beteiligte R-GmbH als neue Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft, weil 100 % der Anteile an der R-GmbH von R auf T mit Wirkung zum selben Datum übertragen wurden. Insgesamt sind deshalb 100 % der Anteile an der Kommanditgesellschaft nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG auf neue Gesellschafter übergegangen. Ohne Belang ist, dass T schon vor dem Erwerb der Anteile an der R-GmbH von R Komplementär der Kommanditgesellschaft war.
Nicht ausschlaggebend ist schließlich, dass T -wie zuvor R- nach der Übertragung die Anteile an der R-GmbH als neuer Treuhänder für die L-AG hielt, da sowohl die Rechtsprechung[14] als auch die Finanzverwaltung beim Wechsel des Treuhändergesellschafters den neuen Treuhänder als Neugesellschafter ansieht[15].
Bundesfinanzhof, Urteil vom 31. Juli 2024 – II R 28/21
- vgl. BFH, Urteil vom 17.06.2020 – II R 18/17, BFHE 270, 252, BStBl II 2021, 318, Rz 16[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 17.06.2020 – II R 18/17, BFHE 270, 252, BStBl II 2021, 318, Rz 18[↩]
- gl. Auffassung die Finanzverwaltung in Tz. 5.2.3.2 der Gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.2018, BStBl I 2018, 1314; a.A. Behrens in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 1 Rz 448; zweifelnd Meßbacher-Hönsch in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 1 Rz 772; Schnitter in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 1 GrEStG Rz 258.5[↩]
- vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 09.11.1988 – 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, m.w.N.; BFH, Urteil vom 04.12.2014 – IV R 53/11, BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483[↩]
- BFH, Urteil vom 11.07.2019 – II R 38/16, BFHE 265, 437, BStBl II 2020, 314, Rz 18[↩]
- BStBl I 2010, 245[↩]
- Tz. 2.2 Spiegelstrich 3 der Gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vom 25.02.2010, BStBl I 2010, 245[↩]
- BFH, Urteil vom 24.04.2013 – II R 17/10, BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833, Rz 18[↩]
- BFH, Urteil vom 24.04.2013 – II R 17/10, BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833, Rz 19[↩]
- BFH, Urteil vom 17.06.2020 – II R 18/17, BFHE 270, 252, BStBl II 2021, 318[↩]
- BFH, Urteil vom 17.06.2020 – II R 18/17, BFHE 270, 252, BStBl II 2021, 318, Rz 21[↩]
- BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/4902, S. 52 f.; vgl. BFH, Urteil vom 25.11.2015 – II R 18/14, BFHE 251, 492, BStBl II 2018, 783, Rz 19[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 10.04.2024 – II R 34/21, BFH/NV 2024, 1252, Rz 26[↩]
- Tz. 5.2.4 vierter Spiegelstrich der Gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.2018, BStBl I 2018, 1314; s.a. Meßbacher-Hönsch in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 1 Rz 913[↩]


